Oktober-Erkenntnisse

Eigentlich möchte ich einen Blogpost pro Monat schreiben. Die Wahrheit ist, dass die Annahme, dass ich hier so viel mehr Zeit dafür erübrigen würde als zuhause, falsch war. Denn auch in den USA steht etwas zwischen mir und meinen Zielen, und das nennt sich Leben. 
Nichtsdestotrotz kommt bezüglich dem vergangenen Monat jetzt ein Text. Im November schreibe ich dann einen Quartalsrückblick, der meinen ganzen Herbst beinhaltet. Und mit November möchte ich mich an meine Monatsvorgabe halten, d.h. auch noch einen Text über das 11. Monat im Jahr separat hochladen. Vom heurigen Sommer habe ich ausserdem noch Geschriebenes in petto, und vom Oktoberfest in Kanada will ich gar nicht erst anfangen. Freut euch also auf regnerische und kalte Tage, an denen ich vor dem PC campen werde!

Nun aber zum Oktober. 


Zum ersten Mal allein und in einem anderen Land zu leben, ist nicht einfach. Punkt. Es ist aus anderen Gründen schwierig, als ich gedacht hätte. 

Nicht nur dieses Gefühl von Sicherheit, das ich zuhause regelmäßig hatte, ein unsichtbares Netz, das jetzt ganz schön ausgedehnt wurde, fehlt. Viel mehr geht es mir um Kleinigkeiten. 

Ein Anruf, den ich tätigen kann, mit dem Satz "Mama, ich hab' ein Problem. Kannst du mir helfen?", ist von hier aus nicht mehr so schnell und einfach möglich. 

Ja, ich hab' ein Problem. Koennen meine Eltern daran etwas ändern? Nein. 

Im Generellen - "Mama!" rufen, wenn ich etwas brauche - geht halt nicht. Frisch gewaschene und zusammengelegte Wäsche auf dem Bett, wenn ich heimkomme? Traeum weiter, Hanna. Und wenn ich auf Urlaub fahre? Keine Nachricht a la "Bist du auch gut angekommen?". 

Hier habe ich keine vier Privatchauffeure bereit stehen, die mich von einer Oeffi-Station zur nächsten kutschieren, dreimal pro Woche. Meine Eltern zahlen auch nicht für eine Jacke, die ich mir im Geschäft ausgesucht habe, weil sie die gutmütigsten Menschen auf der Welt sind, denn sie sind ja gar nicht bei mir. 

Warum ich mich ausserdem einsam fühle, ist mir heute Abend bewusst geworden. In Österreich wurde ich alle paar Wochen von jemandem gefragt, ob ich mit zu einem Poetry Slam möchte, oder sogar gedrängt, dort zu performen. 

In Del Ray fand heute ein Poetry Slam statt, und ich sass allein im Publikum. 

Die Haelfte der Mädels, die ich hier kenne, hatte etwas anderes vor, und ich weiss gar nicht, ob denen bewusst ist, dass ich schreibe.

Und das ist wohl der Grund, wieso sie sagen, dass das Heimweh schleichend und unerwartet kommt. Ich denke über diese Situationen nicht nach, und wenn sie sich ereignen, fühle ich mich deplatziert. 

Deplatziert und irgendwie allein. Diese fixe Zusammenstellung von Leuten, die bisher um mich herum waren, so wie die Planeten im Sonnensystem ko-existieren, sind plötzlich so weit entfernt, und natürlich kann ich nicht einfach jemand anderen an ihre Stelle setzen. 

Und ich vermisse sie. 
Meine Eltern. 
Meine Brüder.
Unser Haus. 
Unsre Terrasse. 
Meine Omi. 
Mein Zimmer. 
Den Apfelkuchen, den es mittwochs gibt. 
Das Teetrinken zusammen im Esszimmer. 
Die Abend mit meinen Mädels. 
All das und noch viel mehr. 

Ich realisiere immer mehr, wie dankbar ich sein muss, mein Leben 19,5 Jahre so geschenkt bekommen zu haben, und wie sehr ich mich freuen kann, wenn ich es zurückbekomme. 

Es ist fast schon traurig, dass ich an das andere Ende der Welt gehen musste, um zu dieser Erkenntnis zu kommen. Aber wenigstens weiss ich es jetzt. 

Und nun zur zweiten großen Lektion, die ich bisher gelernt habe. 

Nach zwei Monaten als Au Pair kann ich eine Aussage mit absoluter Sicherheit tätigen: es soll und kann kein Mensch auf der Welt etwas an dir ändern. Ausser dir selbst. 

Denn du bist die einzige, und zwar wirklich die einzige Gewissheit, die dir bleibt, wenn du einen hübschen roten Koffer packst und vorerst mal nicht wieder heimfährst. 

Dein Charakter, deine Erfahrungen, dein Wissen, und, für mich wirklich bedeutend, deine Werte - das kann dir keiner nehmen.

Du weisst, dass du einem der Länder mit einem 1,4 Notendurchschnitt maturiert hast, die die beste Schulbildung in Europa haben. 
Du weisst, dass du gut und sicher Autofahren kannst, weil du ein Jahr Arbeit darin investiert hast, es zu lernen. 
Du weisst, dass du eine stolze Siebenbürger Sachsin bist, deren Feuer im Herzen nicht ausbrennt. 
Du weisst, dass du ein ehrlicher, hart arbeitender und guter Mensch bist, und dass du immer dein bestes gibst. 

Daran erinnern dich die Leute, auf die du dich weiterhin verlassen kannst, zwar mit Textnachrichten, aber in gewissen Situationen musst du dir diese Fakten selbst in Erinnerung rufen. Das kann anstrengend sein, aber alle Momente, die du hier erlebst, mögen sie auch noch so hart sein, werden schlussendlich zu dem Haufen an Erfahrungen beitragen, die du dir in 6 Wochen, 2 Monaten oder 5 Jahren in Erinnerung rufen kannst. 

Und schlussendlich wirst du sehen, du hast dich durch alles durchgeboxt. Auf deine Art und Weise. Weil du DU bist, und das das Leben ist. 

Kommentare

  1. Liebe Hanna!
    I wünsch da von ganzen Herzen noch an angenehmen Aufenthalt in Amerika. Auch wenn du jetzt ziemlich weit weg bist, wirst sehen, dass die dei Familie und Freunde genauso vermissen wie du sie.
    Und die 6 Monate kann dir keiner nehmen, du nimmst dir die schlechten wie auch guten Erfahrungen mit und lernst daraus!

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  2. Vielen Dank Christiane!
    Freut mich sehr, dass du dich meldest.
    Eigentlich bleibe ich ja ein Jahr hier, aber du hast schon recht, das kann mir keiner nehmen!!
    Wie gehts denn dir überhaupt?

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