Soul of the country ft. random acts of kindness

Alles begann damit, dass ich letzte Woche in ein altes Buchgeschäft in Leesburg, Virginia spazierte. Wer mich kennt, denkt sich vermutlich schon, was als nächstes kommt. Ich habe ein Buch gekauft. Aber nicht nur irgendein Buch, ein kleines gelbes Buch, das sich "Random Acts of kindness" nennt. Dieses Buch hat meine Einstellung zum Leben (hoffentlich nachhaltig) gewandelt. Darin kann man lesen, welche guten Dinge Menschen einander getan haben, mitten im Alltag, ohne sich etwas im Gegenzug zu erwarten. Einfach nur, weil das Gute in der Seele überwogen hat. Meine Familie hat sich immer über meine Omi beschwert, die jedem Bettler ein paar Cents in die Hand drückt. Aber ich habe für mich die folgende Erkenntnis gefasst: Es schadet doch keinem, dieses Kleingeld zu geben, das man selbst nicht braucht. Für jemanden, der in einer viel schlechteren Situation als man selbst ist, kann es die Welt bedeuten, wenn dies drei Leute am Tag machen. 

Und hier kommt der erstaunliche Aspekt meiner Geschichte: seitdem ich meinen Entschluss gefasst habe, mehr Gutes zu tun, war ich umgeben von "Random Acts of Kindness". Mir sind so viele liebe Menschen begegnet in der letzten Woche, dass ich sie mit der Welt teilen möchte, um mehr Freude zu verbreiten, und euch alle dazu anzuregen, auf die sonnige Seite der Erde zu kommen. Es ist echt schön hier. 

Mein Treffen mit dem Guten auf unserem Planeten begann damit, dass mir etwas scheinbar furchtbar Schlechtes passierte. Ich sollte mit einem Bus nach Nashville fahren, weswegen meine Gastfamilie und ich den ganzen Tag gestresst nach Tennessee trampten, nur um dann, 5 min vor der geplanten Abfahrt, eben jenen Bus abfahren zu sehen. Ich musste also mein Ticket umbuchen, Geld aufzahlen, bekam keine Rückerstattung, diskutierte genervt mit einer Ticketverkäuferin, telefonierte verzweifelt mit meiner Gastmutter, füllte heulend ein Beschwerdeformular am Busbahnhof einer Stadt aus, die ich nur von Landkarten kannte.
20 Minuten später stieg ich in ein Auto eines Uber-Fahrers, der mir sagte, dass es ihm leidtue, dass ich so einen miesen Tag habe, bekam Komplimente nachgerufen und dreimal ein Lächeln im Restaurant geschenkt, das bis zu den Augen reichte. Bei der Zurückfahrt zum Busbahnhof folgte dann noch eine Empfehlung für ein Frühstückslokal in Nashville, von der es mir bis jetzt leidtut, dass ich ihr nicht nachkommen konnte. 
Und siehe da, ich glaubte wieder an die Menschheit. So einfach und schnell ging es. 
Aber das war nicht einfach nur Zufall, wie ihr sehr bald lesen werdet. 

Meine Ankunft im Downtown-Hostel in Nashville fand zwar sehr spät in der Nacht statt, aber nachdem ich aus dem strömenden Regen durch die Tür trat und eine Lobby mit Lichterketten sah, in der sich sowohl ein Billardtisch als auch einige motivierte junge Leute befanden, fühlte ich mich sofort an unsere Interrailtage zurückversetzt, und mich erfüllte ein warmes Gefühl im Herz.




Nach dem Ausschlafen am nächsten Tag fing ich dann an, Nashville zu erkunden.
Während dieser Minuten erreichte mich gleich der erste nette Fremde des Tages. 
Ich spazierte in ein Cowboy-Boot-Geschäft und fragte nach einer Empfehlung für ein Frühstückslokal.
Diese bekam ich nicht nur, ich wurde vom geschäftseigenen Songwriter hingebracht, der mit mir hinstiefelte, mir die Türe aufhielt und mich in der Schlange vorgelassen hat. 
Nach der Aussage "Schön, dich kennenzulernen.", und dem ersten Kaffee des Tages machte ich mich auf zum Ryman Auditorium, das sich nur ein paar Häuser weit weg befand. 



Davon war ich übrigens mehr als begeistert, auch die selbstgeführte Tour ist ihr Geld sehr wert und ich bin sehr froh, dass ich diese Perle von Countrymusik-Geschichte sehen habe können. 
Nach diesem ersten Stopp also marschierte ich zurück durch den Regen zum Broadway, schaute kurz zur berüchtigten Tootsies Orchid Lounge im knallvioletten Gebäude, hörte mir zwei Lieder an und applaudierte der Band, die dort live spielte.



Auf ein Bier, das der Großteil der Besucher bereits konsumierte, hatte ich nicht so wirklich Lust (und in diesem Land auch nicht das nötige Alter), also machte ich mich auf zur Country Music Hall of Fame. 

Unterbrochen von diesem Weg war die nächste Person, die mir meinen solo Urlaubstrip damit versüßte, dass sie mich Sweetie nannte, als ich einen Regenschirm bei Walmart kaufte.

Ich wurde ca. 30 Minuten später 20 Dollar bei der erwähnten Country Music Hall of Fame los, die ich mir, meiner Ansicht nach, sparen hätte können, da ich mit meinem Rundgang nach einer halben Stunde fertig war. Da wäre vermutlich die Grand Ole Opry doch eine bessere Entscheidung für die Besichtigung gewesen.


Jedenfalls war es inzwischen später Nachmittag geworden und ich beschloss, dass es Zeit war, aus dem Zentrum in Richtung East Nashville aufzubrechen. Dementsprechend tat ich das dann auch und besuche als erstes "Two Old Hippies", einen Laden, von dem ich viele positive Reviews gelesen hatte, der aber unglaublich teuer ist, und aus dem ich auch schnell wieder hinaus spazierte.




Daran war aber nicht nur die unglaublich schöne und "billige" Indie-Kleidung schuld, sondern auch die Tatsache, dass ich inzwischen erfahren hatte, dass es in meinem letzten Stopp des Tages, dem Bluebird-Café, normalerweise unmöglich ist, einen Tisch zu bekommen, ich aber um jeden Preis dort hineinwollte. Deshalb machte ich mich schnellstmöglich auf den Weg, um mich in die netteste Warteschlange der Welt zu stellen.

Die Tatsache, dass wir alle nicht wussten, ob wir in besagtes Lokal kommen würde, brachte uns näher zusammen. Jeder redete mit jedem, hoffte für diejenigen vor sich und freute sich, wenn wieder zwei Personen hineingeschleust wurden. Durch meine Liebe zur TV-Show Nashville schaffte ich es spielend, mit den anderen Wartenden ein Gespräch aufzubauen. Als ich es schlussendlich und unglaublicherweise schaffte, durch die Tür des legendären Bluebird zu gehen, wurde ich mit einem jungen Herrn aus MÜNCHEN(wie groß ist die Chance bitte, so jemanden zu treffen, wenn er geschlagene ZWEI TAGE beruflich in Nashville ist?), der mir auch anbot, mich nach dem Besuch des Cafés zur Bushaltestelle zu führen - der nächste nette Fremde, auf einen Zweiertisch direkt vor der Bühne platziert. Ich bekam von einer sehr sehr lieben Kellnerin wirklich schnell Saft und Essen serviert, lachte über die Witze der Musiker, lauschte verzaubert der Musik, schaute mir die unzähligen Glühbirnen und Kerzen im Lokal an, kaufte meine Souvenirs und konnte mein Glück nicht glauben.









Dieses Erlebnis bildete das eindeutiges Highlight meiner 18 Stunden in Nashville. Nachdem ich mit dem nächsten netten Herrn vor der Türe noch über Charles Esten unterhielt und dieser Herr, freundlicherweise, ein Bild von mir vor der Markise des Cafés machte, fuhr ich im Sonnenuntergang durch die schönen Straßen dieser unfassbar freundlichen Stadt und stieg in den nächsten Greyhound Bus, den ich diesmal fast freiwillig, um noch länger bleiben zu können, verpasst hätte.






Allen random Acts of kindness zum Trotz, die ich bereits erwähnt habe, wurden mir dann noch mehr im Bus zuteil, da ich ohne mit der Wimper zu zucken zweimal Hilfe bekam, meine Tasche über mir zu verstauen, und unverhofft Eis geschenkt bekam. Das Dessert kam von einem älteren Herrn aus Lateinamerika, für den und dessen Familie ich die Busdurchsagen auf Spanisch übersetzt und dessen Enkeltochter ich ein Kartoffelchip geschenkt und die Hand gegeben hatte. 
Eine Verbindung zu Menschen kann so leicht entstehen, und so sind sie schon keine Fremden mehr. 

Wieder mal spät kam ich dann beim zweiten Ziel des Tennessee-Trips an. Diese Stadt nennt sich Knoxville, und hier hatte ich nicht mal mit Regen zu kämpfen, man soll es nicht glauben. Nachdem ich mich bei der Touristenauskunft (wo immer Live-Country-Musik zu hören ist, solltet ihr euch bei Gelegenheit anhören!) über die sehenswertesten Stellen der Stadt erkundigt hatte, stärkte ich mich bei "The French Market - Crêperie" mit europäischem Brunch und italienischem Kaffee.


Gut gelaunt wurden danach alle möglichen süßen Geschäft am Market Square, Kunstskulpturen an der Hauptstraße, das Tennessee Theater und das State Museum (sehr sehr ansprechend, interessant und nicht teuer) von mir besucht. Bevor ich mich unterwegs zum Tennessee River machte, musste ich noch auf einen Blick zum Mast General Store hineinschauen. Wer gerne Süßigkeiten isst, kann hier sehr gut und vielfältig seinen Vorrat aufstocken. Da ich aber schon zum Frühstück süße Crêpes hatte, verzichtete ich darauf. 









Wovon ich in Knoxville eigentlich am meisten begeistert war, war der Teil des Tages, den ich am Flussufer verbrachte. Die sogenannte Volunteers Landing Promenade, von der aus man zwei verschiedenen Brücken und im Hintergrund die Stadt sieht, bietet eine perfekte Erholungszone mit grün bepflanzten Flecken, Schaukeln und einer abgestellten Eisenbahn, die sich für Fotos sehr anbietet. 









Bevor ich mich nach diesem Stopp von Knoxville verabschiedete, musste ich aber noch zur Sunsphere. Das ist ein Aussichtsturm mit einer goldenen Kugel an der Spitze, auf die man gratis mit dem Aufzug fahren kann. Ich informierte mich dort über die letzte Weltausstellung der USA, die hier stattfand, und packte mich dann zusammen, um nach Pigeon Forge zu fahren, wo ich meine Gastfamilie wieder treffen sollte. 


Als ich, dort angekommen, in einer Hotellobby saß und las, bekam ich, der nächste "Random act of kindness", vom Personal Kaffee angeboten.

Mit einem Ausflug gemeinsam mit meiner Gastfamilie am nächsten Tag fand unser Roadtrip ein Ende - wir fuhren durch die Smoky Mountains, hielten an kristallklaren Bergflüssen und Aussichtspunkten, an denen ich merkte, wie sehr ich meine Berge vermisst hatte. 





Mein Resümee nach meiner Zeit in Tennessee ist nun, dass alle Menschen, die mich Baby nannten und sagten, dass ich auf mich aufpassen soll, diejenigen, die anboten, ein Bild von mir zu machen oder gut auf meine Tasche aufzupassen, mein Herz erwärmt haben. 
Ich möchte auch ein Teil jener Menschen sein, die einem jungen Mädchen, dass in einer fremden Gegend alleine reist, ein gutes Gefühl und tolle Erinnerungen geben. 

Das ist es, was ich hoffte, in den USA als gastfreundliches Land zu finden. Dass ich es gefunden habe, genau dort, wo die meisten meinen, dass die Menschen nur auf ihre traditionellen und konservativen Werte versteift sind, sollte alle anderen, modernen, überarbeiteten und scheinbar weltoffeneren Amerikanern vielleicht zu denken geben. 


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