09|10|11

S E P T E M B E R

Das war der erste Monat hier, den man zählen kann, denn im August bin ich im Endeffekt angekommen und hatte noch keinen Plan von gar nichts. Im September hatte ich zwar auch noch nicht viel mehr Plan, aaaaber ich fing an, mich einzugewöhnen.

Zum Eingewöhnen gehörte das Entdecken der Gegend hier, und das passierte schrittweise. Zunächst war ich ein paar Mal in Del Ray, auf unserer süßen Hauptstraße hier, bin herumgeschlendert, hab in jedes Geschäft geschaut, das interessant ausgesehen hat, hab mir bei zwei verschiedenen Cafés Latte Macchiato bestellt und getestet, welcher besser und günstiger war. Ich war im Recreation Center, bin durch den nächstgelegenen Park spazieren gegangen und durch unser Viertel gejoggt. 

Außerdem war ich einige Male in Old Town, das ich bis heute liebe, wo ich aber zu selten hinkomme. Die gepflasterten Straßen haben es mir sehr angetan, es gibt eine unglaubliche Promenade (=Waterfront) am Potomac, wo du am Abend auf die Lichter der Boote sehen kannst, bis zum National Harbour nach Maryland und auch nach DC. Du kannst Keramik bemalen gehen, supergut bei Le Pain Quotidien frühstücken, bei Nandos Abendessen gehen oder durch kleine Boutiquen stöbern. 

Mein absoluter Lieblingsmoment im September, der mir immer im Gedächtnis bleiben wird, ist aber die Pendelei nach DC und wieder zurück nach Alexandria. Das hat ganz stark damit zu tun, dass Raphi und ich angefangen haben, uns ab September jedes Wochenende zu treffen. Da sie auf der anderen Seite des Flusses wohnt, mussten wir immer irgendwie hin und her kommen. Und ganz gleich, ob das mit einem Uber oder der Metro geschieht, der Augenblick, wenn du über die Memorial Bridge fährst, ist einfach unglaublich. Jedes Mal kleben meine Augen am Fenster, vor allem, wenn du in der Dämmerung unterwegs bist. Du siehst das Kapitol im Sonnenuntergang, und du fühlst dich wie im Traum. 

Meine Gastfamilie soll natürlich auch nicht unerwähnt bleiben - mit ihnen fuhr ich im September nach Virginia Beach, stand das erste Mal, seit ich in Belgien war, wieder am Strand, hörte die Wellen und schaute den Kindern zu, wie sie im Sand spielten. Ich habe selten so etwas Entspanntes als Nachmittagsprogramm gemacht. Das Haus der Gastgroßeltern, die dort in der Nähe wohnen, hat mich übrigens mehr als begeistert - du kommst dir in der Küche vor wie in einer Sitcom, und am Strand wie bei 'Hannah Montana - Der Film'. Ungelogen, da muss ich mich alle zwei Stunden wieder kneifen, um zu realisieren, dass ich wirklich hier bin. 

Und nun zum letzten Teilbereich des Septembers - meine Gastkinder fingen an, sich an mich zu gewöhnen, ich hab ihnen zum ersten Mal eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen, zum ersten Mal mit ihnen UNO gespielt, dem Kleinen zum ersten Mal vorgesungen, damit er zu Mittag einschlief. Im Allgemeinen würde ich als meinen stolzesten Moment bezeichnen, dass ich mit meinem jüngeren Burschen hier ab September gut auskam, da er mich am Anfang fast zur Verzweiflung getrieben hätte, und auch einige Male zum Weinen. Update: mittlerweile ist er mein kleiner Schatz, dieser unfassbar hübsche Junge, der süßer ist, als es erlaubt sein dürfte, außer wenn er seine Phasen hat. 

O K T O B E R

Diesen Monat möchte ich in zwei große Kapitel gliedern - Kanada und Halloween.

Mein erstes Oktoberwochenende verbrachte ich mit meinem ersten Urlaub, seitdem ich aus Österreich abgeflogen bin.

Am Freitagmorgen ging es zum National Airport, und dann mit Zwischenstopp in Ottawa nach Toronto. Dort stand ich dann, mit meinem Rot-Weißen Kanada-Shirt und telefonierte mit Kolina, die versprochen hatte, mich vom Flughafen abzuholen. Was ich nicht erwartete, war, dass Evan auch mit von der Partie war, und die beiden stilecht in Lederhosen und Dirndl gekleidet waren!!!
Meine Begeisterung hätte nicht größer sein können.

Jedenfalls war es, als würden mich die kanadischen Highways und Kitcheners Wohnstraßen 'Willkommen zu Hause' heißen. Einerseits war so viel passiert seit den 15 Monaten, in denen ich nicht dort war, andererseits hätte unser Grillabend bei den Voll's auch gestern sein können, so vertraut war mir alles. Auch Meaghans Hund, Jazz, bekam sich vor Freude gar nicht ein, als ich das Haus betrat.
Im Generellen kann ich dieses Wochenende nicht Revue passieren lassen, ohne ein riesiges Grinsen im Gesicht zu haben.

Nach dem Mittagessen am Freitag gab es eine Runde dessen, wofür wir unseren ersten Stopp am Heimweg vom Flughafen eingelegt hatten: Alkohol. Stiegl-Radler, Jägermeister, Apfelschnaps, alles war dabei. Davor hatten wir uns selbstverständlich in die Dirndl geschmissen, den Edelweiß-Schmuck angelegt und die Haare geflochten.
Angeheitert ging es dann abends in's Hubertushaus.








Rostbraten und Spätzle, Apfelstrudel und Wein (teilweise aus Schnapsglas-Kettenanhängern getrunken), zusammen mit Schlagern, Tanzen, dem Auftritt der Siebenbürger-Tanzgruppe und jeder Menge Wiedersehensfreude konnten den Abend nur bezaubernd werden lassen.

Am Samstag wurde bei Kolina entspannt, deren Familie übrigens das Süßeste ist, was die Welt je gesehen hat, vor allem der Opa, und in der Mall waren wir, selbstverständlich, auch.

Danach ging ich mit Meaghan Poutine essen (wurde beim dritten Kanadabesuch auch Zeit!), wir redeten und redeten und redeten, und am Abend wurde es wieder Zeit für, Überraschung, das Bierzelt!

Diesmal war ich bei jedem Auftritt der Tanzgruppe dabei, hatte aber auch genügend Zeit, um sie mit meiner lieben Claudia, angereist aus Nürnberg, zu verbringen.
Eine Schnitzelsemmel mit Sauerkraut, ein Ritt auf dem Bullen der Stampede Corral und Linedance sowie Polka mit den kanadischen Mädels bildeten für mich die Höhepunkte dieses Abends.
Bei Meaghan ließen wir alles mit einer Hausparty ausklingen, und dann war es Zeit für Thanksgiving.


Kolina holte mich am Sonntagmorgen ab und wir fuhren zur Familie ihres Freundes, Erik. Diese Tagesgestaltung erinnerte mich im Übrigen sehr an zuhause: ein gemütlicher Brunch und danach ein ausgedehnter Waldspaziergang mit Hunden. Kolina zeigte mir auch ihr Domizil in Hamilton, am Abends gab's Turkey-Dinner zurück in Kitchener.

Ja, und am Montag fand mein persönliches Goldstück des ganzen Kurzurlaubs statt. Die Tavares-Familie ließ mich eine ihrer unglaublichen Samttrachten borgen, die ich mir, zusammen mit Kolina, um sechs Uhr morgens anzog.
Um das Wetter bangten wir etwas, aber Gott sei Dank hörte der Regen schlussendlich doch auf. Ausgestattet mit Tim Hortons Getränken wartete die ganze Gruppe dann auf den Beginn des Trachtenumzuges.

Die Zuseher, alle in Campingstühlen, eingehüllt in Decken, Hauben etc., reigen uns abwechselnd "Happy Thanksgiving", "You look like princesses!" und "Happy Oktoberfest" zu.
Nach jedem Mädchenfliegen (auch ich bin gefühlt 100 Mal in die "Heimat" geflogen) oder auch Burschenfliegen hörten wir immer NOCHMAL.
Dazwischen wurde zu Zuschauern gelaufen, die man kannte, und teilweise sogar Polka auf der Straße getanzt. Hach, so viel Liebe.

An meinem letzten Abend bei meiner siebenbürgisch-kanadischen Familie machten Kolina und ich uns Tee, suchten einen schönen Platz, um den Sonnenuntergang ansehen zu können, fanden ihn schlussendlich mit Lukas und saßen dort, zu dritt, philosophierten über die Zukunft und darüber, wo uns unser Leben einmal hinführen wird, weil die Welt viel zu groß ist, um nur an einem Ort zu leben.

Dienstags wurde ich von Kolinas Opa mit den Worten "Grüß deine Eltern" verabschiedet, ungeachtet dessen, dass ich diese noch mehr als zwei Monate nicht sehen würde.

Evan und Kody holten mich mit einem Pick-Up-Truck ab, dessen Reifen mir zur Hüfte reichten, und der hölzerne Innenausstattung besaß. Mit einem French Toast zum Frühstück schloss ich dieses unglaubliche Wochenende ab, und während ich in meiner Flughafenlounge mit gratis Cappuccino und Studentenfutter saß, dankte ich mal kurz dem Schicksal für mein Leben.


Kommen wir jetzt zum Mittelteil des Monats Oktober, der bezüglich meiner Gastkinder vor allem durch Halloween geprägt war. Wir buken Krampus-Kekse (weil der ja gruselig ist und deshalb zu diesem Fest passt), bastelten ein Türschild mit Spinnennetz, Geistern und Hexe darauf, schnitzten Kürbisse, und nach Halloween füllten wir unzählige Plastiksackerl mit Süßigkeiten, die die Burschen verschenkten. Sie haben ja doch ein gutes Herz.

In meiner Freizeit ging ich zum monatlichen LCC Meeting, verkleidet als Rotkäppchen, fing an, American Horror Story mit Raphi zu schauen, besuchte zum ersten Mal einen Nationalpark, nämlich Great Falls, und genoss den Halloween Abend nach dem Trick or Treating der Gastkinder mit anderen Au Pairs, verkleidet als Arielle, in Georgetown (DC).




N O V E M B E R

Wie ich in meinem Novemberpost schon erwähnt habe, war dieser sehr von Geburtstagen geprägt. Zusätzlich besuchte ich aber eine Farm mit drei Freundinnen, wo es entzückende Babytiere, jede Menge Kürbisse, Livemusik und Apfel-Donuts gab. Ich führte stundenlange nächtliche Gespräche mit Raphi, entdeckte die Gitarre wieder für mich, und besuchte New York zum zweiten Mal.




Dabei haben Raphi und ich eine sehr beeindruckende Erkenntnis gewonnen: wir fühlten uns in dieser unglaublichen Stadt nicht mehr wie Touristen. Wir kannten das Straßensystem, uns verunsicherten Busfahrten nach Jersey nicht mehr, wir marschierten schneller als der Durchschnitt durch die Straßen - dadurch erkannten wir, dass es einen gewaltigen Unterschied macht, ob du seit drei Tagen in diesem Land lebst, oder seit drei Monaten.

Mit einem weiteren Wochenende in dieser Stadt konnte ich mir zwei weitere Lebensträume erfüllen, bei denen ich dachte, ich erlebe sie irgendwann, aber sicher NICHT, bevor ich 20 werde !!!

Ich bin mit meinen eigenen zwei Beinen durch's Plaza Hotel gelaufen, und ... HABE EIN MUSICAL AM BROADWAY GESEHEN. Ja, ganz recht.







Der November endete mit einem langen Thanksgiving-Wochenende in Chesapeake. Dadurch, dass ich ein paar Tage zuvor mit den Kindern ein Bastelprojekt startete, war ich inspiriert, selbst eine Liste anzufertigen, auf die ich Dinge schrieb, für die ich dankbar bin.

Als Abschluss dieses Posts also ein positives Statement von mir auf Englisch: 'I am thankful for my family, laughter, sleep, chocolate, friends, pancakes, crafting, weekends, sharing, dogs, coffee, helping hands, children, parties, pillows, reading, home, hugs, vacation, planes, bubble baths, love, joy, photos, Music and fireplaces.'









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